Anforderungen an den Vortrag des Internetanschlussinhabers über weitere für Urheberrechtsverletzungen in Betracht kommenden Personen

Gericht

LG Köln

Datum

30.11.2017

Aktenzeichen

14 S 45/16

Branche/ Lebenslage

  • Sekundäre Darlegungslast,
  • Umfang,
  • Nachforschungen,
  • Nachforschungspflicht,
  • Vortrag,
  • Anschlussinhaber,
  • Internetanschluss,
  • llegales Filesharing,
  • illegales File-Sharing,
  • Täterschaft,
  • Schadensersatz,
  • Dritter,
  • Mitnutzer,
  • Familie,
  • Familienangehörige

Akteure

  • Urheberrechteinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Familienangehörige

Wer haftet?

  • Grundsätzlich Internetanschlussinhaber

Haftungsart

  • Als Täter

Haftungsumfang

  • Schadensersatz (hier i.H.v. 600 Euro),
  • Anwaltskosten/Abmahnkosten (hier i.H.v. 506 Euro),
  • Verfahrenskosten

Haftungsbegründendes Verhalten

Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an Dritte; sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien

Persönliche Umstände

Tatsächliche Vermutung für Täterschaft des Internetanschlussinhabers

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast erfüllen

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Über das WLAN des Beklagten wurde eine urheberrechtlich geschützte Datei (Film) im Wege des Filesharings im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Die Rechteinhaberin begehrt nun Zahlung von Schadensersatz und Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten, da sie den Anschlussinhaber als Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung sieht.

Das Landgericht kommt, anders als die Vorinstanz, zu einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers. Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen trägt zunächst die Rechteinhaberin als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der hier geltend gemachten Ansprüche bestehen. Zwar bestehe keine generelle Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für über seinen Zugang begangene Urheberrechtsverletzungen als Täter verantwortlich ist. Eine solche tatsächliche Vermutung greife jedoch dann, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Das gelte selbst dann, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienhaushalt – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird.

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende ernstliche Nutzungsmöglichkeit Dritter sei dann anzunehmen, wenn der Anschluss entweder zum Tatzeitpunkt nicht hinreichend (z.B. durch Passwort) gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Da diese Umstände außerhalb der Kenntnis des Rechteinhabers liegen, trifft insoweit den Anschlussinhaber eine sog. sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt der Inhaber des Internetanschlusses dadurch, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Netzwerk hatten und als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang ist er im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III Rn. 37; Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris Rn. 33; Urt. v. 06.10.2016 I ZR 154/15 – Afterlife, juris Rn. 15; Urt. v. 30.03.2017, I ZR 19/16 – Loud Rn. 15) (juris Rn. 31).

Nach Ansicht des LG Köln ist nach den genannten Grundsätzen im vorliegenden Fall von einer Täterschaft des Beklagten auszugehen, da der Anschluss zu den Tatzeitpunkten einerseits hinreichend gesichert war und andererseits zwar bewusst anderen Personen überlassen war, der Anschlussinhaber jedoch insoweit seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hat.

So hat der Anschlussinhaber vorgetragen, er habe seinen Anschluss zum Tatzeitpunkt bewusst einer anderen Person – seiner Ehefrau – überlassen. Nach Ansicht des Landgerichts erschöpft sich somit das Verteidigungsvorbringen des Beklagten darin, dass er seine eigene Täterschaft bestreitet und stattdessen auf seine Ehefrau verweist, die mittels eines eigenen Computers zum Tatzeitpunkt auf das Internet zugegriffen habe. Zwar hat der Anschlussinhaber damit die Zugriffsmöglichkeit eines Dritten vorgetragen. Dieser Vortrag sei zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast jedoch nicht ausreichend:

Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urteil vom 30.03.2017, I ZR 19/16 – Loud Rn. 15 m.w.N.). Die Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter grundrechtlichen Schutz steht, eine Rechtsverfolgung ermöglicht. Unter Berücksichtigung des für den Urheberrechtsinhaber entsprechenden Eigentumsschutzes (Art. 7 Abs. 2 EU-Grundrechte Charta und Art. 14 Abs. 1 GG) ist im Hinblick auf den zu Gunsten des Anschlussinhabers wirkenden grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechte Charta und Art. 6 Abs. 1 GG) der Anschlussinhaber zwar weder gezwungen, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, noch den Computer seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software zu untersuchen. Jedoch unterliegt der Anschlussinhaber als Partei eines Zivilprozesses der Wahrheitspflicht des §§ 138 Abs. 1 ZPO. Dies impliziert, dass die Partei, die von wahrheitsgemäßen Angaben zum Schutz von Ehe oder Familie absehen möchte, die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen in Kauf zu nehmen hat […] (juris Rn. 37).

Der Beklagte war somit zwar weder zu einer Überwachung und Dokumentation des Internetverhaltens seiner Ehefrau noch zu einer Untersuchung deren Rechners auf das Vorhandensein von Filesharing-Software verpflichtet. Das bedeutete jedoch nicht, dass der Anschlussinhaber im Verhältnis zu seiner Ehefrau überhaupt nicht zu Nachforschungen im Zusammenhang mit der erfolgten Urheberrechtsverletzung verpflichtet gewesen wäre. Das gilt umso mehr, wie nach seinem Vorbringen nur er selbst oder seine Ehefrau als Täter in Betracht kommen. Aus diesem Grund genügt der nach Ansicht des Gerichts detailarme Vortrag, seine Ehefrau habe einen eigenen Rechner und sei zur Tatzeit online gewesen, seiner Darlegungslast nicht. „Zu Kenntnissen, Fähigkeiten, Nutzerverhalten seiner Ehefrau im Hinblick auf die Internetnutzung hat sich der Beklagte auch nicht ansatzweise erklärt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte hierzu keinerlei Angaben hätte machen können; im Zusammenleben unter Ehegatten dürften grundlegende Tatsachen, wie eine besondere Gewandtheit des Ehegatten im Hinblick auf Computer- und Programmierkenntnisse oder auch das Gegenteil, nur rudimentäre Kenntnisse, dem anderen Ehegatten nicht verborgen bleiben. Solche Tatsachen aber sind relevant im Hinblick auf die Plausibilität der Täterschaft eines Anschlussnutzers. Wer nur mit Hilfe oder auf Grundlage der technischen Voreinstellungen eines anderen das Internet nutzt bzw. nutzen kann, kommt gegebenenfalls als (Allein)Täter nicht in Betracht“ (juris Rn. 39).

Das Gericht hält den Verweis des Anschlussinhabers auf eine „selbständige Nutzung“ der Ehefrau für zu vage. Der Beklagte wäre im Rahmen seiner Nachforschungspflicht auch gehalten gewesen, seine Ehefrau dazu zu befragen, ob sie die Rechtsverletzung begangen und ob sie Filesharing-Software auf ihrem Rechner installiert hat. Dazu hat der Anschlussinhaber zwar vorgetragen, seine Ehefrau habe auf Nachfrage die streitgegenständliche Rechtsverletzung verneint, auf welcher Grundlage das geschah, etwa, ob die Ehefrau des Beklagten erklärte, sie habe zwar Filesharing-Software genutzt, jedoch nicht den streitgegenständlichen Film zum Download angeboten, erklärte sich der Beklagte jedoch nicht (juris Rn. 40).

Auch in sonstigen Hinsicht war der Vortrag des Beklagten nach Ansicht des Landgerichts zu detailarm. So erklärte er sich auch nicht dazu, „[…] ob und welche sonstigen internetfähigen Geräte neben dem Rechner seiner Ehefrau und seinem eigenen in seinem Haushalt vorhanden waren, wie diese Geräte, einschließlich seines Rechners und des Computers seiner Ehefrau, von den Eheleuten genutzt wurden […]“ (juris Rn. 41).

Darüber hinaus merkt das Landgericht an, dass es die Ansicht des Amtsgerichts als Vorinstanz, wonach der Beklagte aufgrund Zeitablaufs nicht verpflichtet sei, mehr als die generelle Nutzungsmöglichkeit seiner Ehefrau zur Tatzeit vorzutragen, nicht teilt. Zum einen sei ersichtlich, dass der Beklagte hinsichtlich seiner eigenen Entlastung präzise Erinnerungen hat (etwas die Zeit seines Zu-Bett-Gehens). Zum anderen erfolgte die Abmahnung zeitnah (drei Wochen nach der Rechtsverletzung) (juris Rn. 42).

Letztlich greift, da der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, die tatsächliche Vermutung, dass dieser Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung ist, ein.

ANMERKUNGEN

Das Landgericht Köln äußert sich vorliegend ausführlich zum Umfang der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers bei Behauptung der Anschlussnutzung durch andere Personen. Die Richter stellen strenge Anforderungen an den Anschlussinhaber. So genüge nicht lediglich ein Verweis auf die konkrete Nutzungsmöglichkeit anderer Personen zum Tatzeitpunkt. Vielmehr erfordere die sekundäre Darlegungslast einen substantiierten Vortrag zu der Frage, weshalb ein Mitnutzer in Bezug auf dessen Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatte, die Rechtsverletzung ohne Wissen und Wollen des Anschlussinhabers zu begehen. Selbst wenn sich diese Umstände insofern der eigenen Kenntnis des Anschlussinhabers entziehen, ist dieser zu entsprechenden Nachforschungsmaßnahmen verpflichtet.

Das LG Köln stellt relativ strenge Anforderungen an den Umfang der Nachforschung. So wird der Anschlussinhaber insbesondere darauf achten müssen, etwaige Mitnutzer konkret auch danach zu befragen, ob diese zum Tatzeitpunkt nicht nur auf den Anschluss zugegriffen haben, sondern auch, ob diese eine bestimmte Datei im Wege des Filesharings im Internet verbreitet haben. Weiterhin wird sich der Anschlussinhaber, um sicher zu gehen, vor dem Gericht auch zu Kenntnissen, Fähigkeiten und Nutzerverhalten etwaiger Mitnutzer und sonstigen im Haushalt befindlichen internetfähigen Geräten äußern müssen.

Schreiben Sie einen Kommentar