Strafbarkeit der unbefugten Veröffentlichung von personenbezogenen Daten Dritter im Internet nach dem Bundesdatenschutzgesetz, Zulässigkeit umfangreicher strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen aus diesem Grund (Hausdurchsuchung, Beschlagnahme bzw. Sicherstellung von EDV-Geräten)

Gericht

LG Marburg

Datum

22.11.2007

Aktenzeichen

4 Qs 54/07

Branche/ Lebenslage

  • Unbefugte Datenveröffentlichung,
  • BDSG,
  • Bundesdatenschutzgesetz,
  • Veröffentlichung,
  • Daten,
  • strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme

Akteure

  • Angeklagter,
  • Ermittlungsbehörde

Wer haftet?

  • Sicherstellungs- und Beschlagnahmeanordnung ist zulässig

Haftungsart

Haftungsumfang

Haftungsbegründendes Verhalten

Verdacht der Begehung von Straftaten nach dem Bundesdatenschutzgesetz aufgrund des unberechtigten Bereitstellens/Veröffentlichens von Auszügen aus dem Bundeszentralregister

Technische Umstände

Bereitstellung und Veröffentlichung des zunächst eingescannten Auszugs via Hyperlink, Einstellung auf einer Internetseite zum automatischen Abruf, sowie Versendung via E-Mail

Persönliche Umstände

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Der Angeklagte hatte ein Beschwerde gegen die vom Amtsgericht angeordnete Beschlagnahme- und Sicherstellungsanordnung erhoben. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten wurden EDV-Geräte nebst Zubehör gefunden und mit der Begründung beschlagnahmt, diese kämen als Beweismittel für Straftaten nach dem Bundesdatenschutzgesetz in Betracht. Dem Angeklagten wurde zum Vorwurf gemacht, auf einer von ihm geschaffenen Internetseite einen Auszug aus dem Bundeszentralregister mit Informationen über den Betroffenen zum automatisierten Aufruf bereitgehalten zu haben. Auch soll der Angeklagte einen Zugriff zu dem gegenständlichen Registerauszug über die Einarbeitung entsprechender Hyperlinks vorgenommen haben.

Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmeanordnung.

Ein vorausgesetzter Anfangsverdacht sei mit dem Verdacht der Straftaten nach dem Bundesdatenschutzgesetz gegeben:

Vorliegend bestand gegen den Angeklagten im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung und auch weiterhin der Verdacht der Begehung von Straftaten nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes, d.h., vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, in der Absicht, einen Andern zu schädigen, verarbeitet sowie zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereitgehalten zu haben.

Die weiteren Voraussetzungen der Beschlagnahme seien ebenfalls erfüllt gewesen:

Dringende Gründe für die Annahme, dass es zum Hauptverfahren kommen wird, müssen nicht vorliegen, der Anfangsverdacht reicht aus. Die Beschlagnahme muss lediglich in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen, wobei die Interessen des Verletzten regelmäßig mehr ins Gewicht fallen, als die des Beschuldigten. Die Untersuchung kann schließlich auch erst mit der Beschlagnahme beginnen.

Als Beweismittel, deren Auffindung im Rahmen einer Durchsuchung beim Beschuldigten zu vermuten sein muss und welche nach § 94 StPO der Beschlagnahme unterliegen, kommen dabei alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, auch Magnetbänder und sonstige Datenträger, in Betracht, die unmittelbar oder mittelbar für die Tat oder die Umstände ihrer Begehung Beweis erbringen.

Vorliegend bestand gegen den Angeklagten im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung und auch weiterhin der Verdacht der Begehung von Straftaten nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes, d.h., vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, in der Absicht, einen Andern zu schädigen, verarbeitet sowie zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereitgehalten zu haben.

Auch gehörten die beschlagnahmten Gegenstände im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts dem Angeklagten.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme, wobei dem Angeklagten zwischenzeitlich auch noch weitere beschlagnahmte Gegenstände zurückgegeben worden sind.

ANMERKUNGEN

Die rechtliche Grundlage der Sicherstellungsanordnung waren § 94 StPO und § 74 StGB. Dass der Angeklagte bereits einmal wegen des Bereitstellens der Daten verurteilt worden war, hinderte nicht die erneute Anklage. Insofern gelte das vorige Urteil bei diesem Dauerdelikt nur für die zum Zeitpunkt des Urteils vorgenommenen Einzelakte. Das Bereitstellen nach dem Urteil stelle eine neue Straftat dar.

Das Gericht ließ sich auch zu der Frage nach der strafrechtlichen Beurteilung von sog. Hyperlinks ein. Hier könne in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Stuttgart (14.04.2006, 1 Ss 49/05) von einem täterschaftlichen Zueigenmachen der strafrechtlich relevanten Inhalte ausgegangen werden.

Gesetzesänderung: Die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Version des BDSG ist seit dem 25.05.2018 durch das BDSG(neu) bzw. die Datenschutzgrundverordnung (gilt ebenfalls seit dem 25.05.2018) abgelöst worden. Insbesondere enthält § 44 BSGG keine Strafvorschrift mehr, wie noch zum Zeitpunkt der hier besprochenen Entscheidung. Das BDSG enthält nun in § 43 BDSG(neu) eine Bußgeldvorschrift. Die Strafvorschrift ist neu in § 42 BDSG(neu) geregelt worden.

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