Keine anlasslosen Prüf- und Überwachungspflichten des Internetanschlussinhabers in Bezug auf volljährige Kinder und den Ehepartner, keine Belehrungspflicht gegenüber volljährigen Kindern

Gericht

LG Mannheim

Datum

30.01.2007

Aktenzeichen

2 O 71/06

Branche/ Lebenslage

  • File-Sharing,
  • Filesharing,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Belehrungspflicht,
  • Überwachungspflicht,
  • Prüfpflicht,
  • volljährige Kinder,
  • Ehepartner

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • volljährige Familienmitglieder

Wer haftet?

  • Haftung des Internetanschlussinhabers nur in Ausnahmefällen

Haftungsart

  • Schadensersatz,
  • Unterlassungsanspruch,
  • hier (-)

Haftungsumfang

  • Verfahrenskosten (hier von der Klägerin zu tragen)

Haftungsbegründendes Verhalten

bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses und Überlassung an Familienmitglieder

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Dateien

Persönliche Umstände

Arglosigkeit gegenüber den Risiken rechtswidriger Internetnutzung durch Dritte (Familienmitglieder), hier (-)

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Gegenüber volljährigen Familienmitgliedern: weder Obliegenheit einer einweisenden Belehrung in die Internetnutzung noch einer dauerhaften Überprüfung ohne konkreten Anlass

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

Die Rechteinhaberin nimmt die Beklagten als Inhaber eines Internetanschlusses wegen unerlaubten Anbietens eines Computerspiels im Internet auf Unterlassung sowie Aufwendungs- und Schadensersatz in Anspruch.

Eine täterschaftliche Haftung der Anschlussinhaber kommt nicht in Betracht, da die Klägerin eine selbständige Begehung einer Urheberrechtsverletzung durch die Beklagten nicht beweisen konnte. Die Anspruchsgegner sind auch ihrer sekundären Darlegungslast (Erklärungspflicht, sich zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen, gegnerischen Partei zu äußern, vgl. allgemein hierzu: BGHZ 86, 23, 29; 100, 190, 196; BGH, Urt. v. 24.11.1998, – VI ZR 388/97, NJW 1999, 714, 715; Mes, P., GRUR 2000, 934, 939) nachgekommen, indem sie angegeben haben, dass der Internetanschluss zum Tatzeitpunkt auch von den zwei volljährigen Kindern benutzt worden sei.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagten gleichzeitig die Täterschaft ihrer Kinder bestritten haben, da sie nur zur Darlegung ihres Wissens- und Kenntnisstandes verpflichtet sind.

Auch eine Inanspruchnahme als Störer scheidet letztlich aus.

Zwar haben die Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Urheberrechts beigetragen. Nach den vorliegenden Umständen kommt allerdings – auch da eine Nutzungsmöglichkeit des Anschlusses durch beliebige Dritte von keiner Partei geltend gemacht wurde – nur eine Urheberrechtsverletzung durch die volljährigen Kinder in Betracht.

Der Umfang der Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem Anschlussinhaber entsprechende Maßnahmen zur Überprüfung der Internetnutzung zuzumuten sind. Wenn ein Anschlussinhaber Familienangehörigen und insbesondere seinen Kindern den Zugang zur Verfügung stellt, beruht dies auf dem familiären Verbund. Prüfungs- und Überwachungspflichten sind nur insoweit anzunehmen, als dies im Rahmen der Erziehung der Kinder abhängig von deren Alter notwendig ist.

Bei einem volljährigen Kind, das nach allgemeiner Lebenserfahrung im Umgang mit Computer- und Internettechnologie einen Wissensvorsprung vor seinen erwachsenen Eltern hat, kann es sinnvollerweise keiner einweisenden Belehrung über die Nutzung des Internets bedürfen. In diesem Fall bleibt es bei der Beurteilung, dass die Eltern ein konkretes Familienmitglied nicht ohne Anlass der Begehung unerlaubter Handlungen verdächtigen müsse und dementsprechend zur Einleitung von Überwachungsmaßnahmen verpflichtet wären (juris Rn. 26).

ANMERKUNGEN

Nach der Entscheidung des LG Mannheim besteht gegenüber volljährigen Familienmitgliedern (insbesondere volljährige Kinder) keine Belehrungs-, Instruktions- oder Überwachungspflicht seitens des Anschlussinhabers.

Diese Auffassung wird durch die „Morpheus“-Rechtsprechung des BGH mit Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 bestätigt, die sich ausdrücklich mit den Belehrungs- und Überwachungspflichten gegenüber minderjährigen Kindern auseinandersetzt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 86/15 – juris Rn. 14 – NJW 2017, 33 – Silver Linings Playbook, welche sich zur Belehrungspflicht des Internetanschlussinhabers gegenüber volljährigen Besuchern über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen äußert. So ist es dem Anschlussinhaber grundsätzlich nicht zuzumuten, volljährige Personen über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen zu belehren, solange es keine konkreten Anhaltspunkte für bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzungen gibt. Vielmehr sei auf die Eigenverantwortung und das Verständnis volljähriger Personen abzustellen.

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