Bestätigung der Vorinstanz / keine Entscheidung über Sachvortrag bzgl. Router-Sicherheitslücke; Umfang der Nachforschungspflicht bei Familienangehörigen

Gericht

LG Braunschweig

Datum

01.07.2015

Aktenzeichen

9 S 433/14

Branche/ Lebenslage

  • Sekundäre Darlegungslast,
  • Umfang der sekundären Darlegungslast,
  • Nachforschungspflicht,
  • Filesharing,
  • Familienangehörige,
  • Familie,
  • Internetanschlussinhaber

Akteure

  • Urheberrechtsinhaber,
  • Internetanschlussinhaber,
  • Familienangehörige

Wer haftet?

  • Internetanschlussinhaber; haftet nicht als Täter, sofern er – wie hier – seiner sekundären Darlegungslast ausreichend nachkommt

Haftungsart

  • Schadensersatz,
  • Abmahnkosten

Haftungsumfang

Haftungsbegründendes Verhalten

bloße Unterhaltung eines Internetanschlusses, deshalb Vermutung für Begehung der Urheberrechtsverletzung

Technische Umstände

Internetanschluss ermöglicht Up- und Download von urheberrechtlich relevanten Daten

Persönliche Umstände

Vermeintlich täterschaftliche Begehung der Urheberrechtsverletzung

Möglichkeiten der Haftungsvermeidung

Einhaltung der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast

Zitate, Zusammenfassende Würdigung, Strategien zur Haftungsvermeidung

In der vorliegenden Entscheidung des LG Braunschweig geht es vor allem um die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers.

Über den Internetanschluss des Beklagten wurden über Online-Tauschbörse für einen gewissen Zeitraum mehrmals urheberrechtlich geschützte Dateien zum Download angeboten. Die Rechteinhaberin begehrt vom Anschlussinhaber Schadensersatz und Aufwendungsersatz (anwaltliche Abmahnkosten) mit dem Argument, dieser hätte die Rechtsverletzungen selbst, also täterschaftlich, begangen.

Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen ist zunächst die Klägerin/Rechteinhaberin dafür beweispflichtig, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Zwar spricht in diesem Zusammenhang eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für Rechtsverletzungen verantwortlich ist, die über sein Netzwerk erfolgen (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus, Rn. 32; BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, Rn. 12). Doch kann der Anschlussinhaber im Rahmen der ihm obliegenden sog. sekundären Darlegungslast Umstände vortragen, die der tatsächlichen Vermutung ihre Grundlage entziehen. Das Landgericht weist hierbei darauf hin, dass im Falle des Erfüllens der sekundären Darlegungslast schon die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung nicht vorliegen und diese Vermutung dadurch nicht etwa nur erschüttert oder widerlegt wird.

In diesem Zusammenhang ist der Anschlussinhaber lediglich im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet (also etwa dahingehend, wer den Anschluss noch mitbenutzen konnte bzw. hätte können). Dabei kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Da im vorliegenden Fall mehrere Jahre zwischen der beanstandeten Rechtsverletzung und der Klageerhebung bzw. Zustellung des Mahnbescheids liegen, dürfen die Anforderungen an die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers nicht überspannt werden. Mehr als die Angabe, welche Personen im Zeitraum der Urheberrechtsverletzung grundsätzlich zur Nutzung des Netzwerks berechtigt waren, wird man in einem solchen Fall nicht erwarten können.

[…] Im Rahmen dieser sekundären Darlegungslast hat der Beklagte zumindest vorzutragen, ob er den fraglichen Anschluss alleine nutzt bzw. welche Familienangehörigen, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des Anspruchs in der Lage waren bzw. gewesen sein könnten (vgl. dazu BGH – Bearshare, Rn. 18). Da die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer Umkehr der Beweislast führt (so explizit BGH – Bearshare, Rn. 18), genügt insoweit auf dieser Ebene der sekundären Darlegungslast zunächst der substantiierte Vortrag des Beklagten zu den Mitbenutzungsmöglichkeiten Dritter […] (juris Rn. 37) .

ANMERKUNGEN

Das Landgericht Braunschweig hat mit dem vorliegenden Urteil die Entscheidung der Vorinstanz (AG Braunschweig, Urt. v. 27.08.2014 – 117 C 1049/14) bestätigt. Bereits diese hatte die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast im Licht der BearShare-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12) konkretisiert.

Anzumerken bleibt, dass sich das Landgericht – anders als das Amtsgericht – nicht mehr ausführlich zu dem noch in der Vorinstanz umstrittenen Vortrag hinsichtlich einer Sicherheitslücke des WLAN-Routers äußerte (zum Umfang der sekundären Darlegungslast im Hinblick auf eine eventuelle Benutzung durch unberechtigte Dritte vgl. daher AG Braunschweig, Urt. v. 27.08.2014 – 117 C 1049/14).

Inhalt der vorliegenden Entscheidung ist demgegenüber vielmehr der Umfang der Nachforschungspflichten des Anschlussinhabers, die ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast obliegen, im Hinblick auf eine eventuelle Mitbenutzung durch Familienangehörige.

Schließlich gilt es noch auf die Entscheidungen der nachgehenden Instanzen hinzuweisen:

BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife

(Inhalt: Reichweite der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen; Zumutbarkeit der Dokumentation der Internetnutzung des Ehegatten)

BGH, Beschl. v. 18.05.2017 – I ZR 154/15

(Inhalt: Anhörungsrüge: Sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers hinsichtlich der Anschlussnutzung durch den Ehegatten).

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