Anspruch auf die Tätigkeit im Homeoffice

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Im Zusammenhang mit der Corona-Krise waren die verschiedensten Lebensbereiche von Veränderungen bzw. Einschränkungen betroffen. Insbesondere gastronomische, aber auch viele andere Arbeitsstätten mussten aufgrund der Schutzmaßnahmen vorübergehend geschlossen werden. Viele Arbeitnehmer waren dementsprechend für einige Zeit daran gehindert, ihre beruflichen Tätigkeiten auszuüben oder konnten dies nur eingeschränkt vollbringen. In zahlreichen beruflichen Zweigen bot allerdings das Homeoffice eine Möglichkeit, während des vorübergehenden Lockdowns weiterhin der Arbeitstätigkeit nachzugehen, sofern es sich nicht um einen Beruf handelte, der Präsenz im Unternehmen erforderlich macht. Unter Homeoffice ist die berufliche Tätigkeit zu verstehen, die ganz oder teilweise von einem am Wohnungsort des Arbeitnehmers eingerichteten Arbeitsplatz ausgehend erbracht wird.[1] Der folgende Beitrag soll in diesem Zusammenhang die Frage nach einem Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Tätigkeit im Homeoffice näher beleuchten und dabei auch verdeutlichen, warum dieser sinnvoll erscheint.

Die Vorteile einer Tätigkeit im Homeoffice

Das Homeoffice stellt eine kontrovers diskutierte Beschäftigungsform dar und bringt zahlreiche Vorteile für den Arbeitnehmer, aber auch für den Arbeitgeber mit sich.

Als wichtigster Gesichtspunkt lässt sich die große Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsgestaltung als vorteilhaft für beide Seiten anführen: Nachdem der Arbeitnehmer weniger gebunden in Bezug auf seine Arbeitszeiten ist, können auch Verpflichtungen in Familie und Haushalt flexibler wahrgenommen werden, sodass das Berufs- und Privatleben besser zu vereinbaren sind.[2] In diesem Zusammenhang lassen sich auch Zeitersparnisse aufgrund nicht mehr notwendiger Fahrten zur Arbeitsstätte und nach Hause anführen.[3] Studien haben hierbei ergeben, dass Arbeitnehmer im Homeoffice durch weniger Fahrten zum Arbeitsplatz durchschnittlich 4,4 Stunden pro Woche einsparen.[4] Für den Arbeitgeber ergibt sich durch die Flexibilität ebenfalls ein zeitlich ungebundener Einsatz der Angestellten ohne die zusätzlichen Anfahrten, was im Ergebnis die Produktivität im Unternehmen erhöht.[5]

Ansprüche auf eine Tätigkeit im Homeoffice

Abgesehen von der Tatsache, dass bislang kein gesetzlich festgelegter Anspruch auf das Homeoffice existiert,[6] kommen grundsätzlich einige Anspruchsgrundlagen in Betracht, um als Arbeitnehmer eine Tätigkeitsverlegung in Homeoffice zu erreichen. Zwei Beispiele hierfür werden – auch in Hinblick auf die Pandemie-Situation – nachfolgend näher beleuchtet.

Rücksichtnahmepflicht

Beispielsweise erscheint ein Anspruch aus der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB denkbar.[7] In jedem Schuldverhältnis, so auch im Arbeitsverhältnis, haben die Vertragsparteien die Pflicht, die nötigen Voraussetzungen zur Vertragszweckerfüllung zu schaffen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.[8] Ist die Leistungserbringung zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen (Arbeitsort Betrieb) nicht länger möglich, könnte die Zuweisung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes als einzige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit leistungssichernd sein. Dies ergäbe einen Anspruch des Arbeitnehmers auf leistungssichernde Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers durch die Zuweisung ins Homeoffice.[9] Der Wortlaut des § 106 Satz 1 GewO spricht jedoch dafür, dass die Konkretisierung des Arbeitsvertrags Sache des Arbeitgebers ist, weshalb ein derartiger Anspruch des Arbeitnehmers das Weisungsrecht des Arbeitgebers umgehen würde, indem jener das Arbeitsverhältnis selbst näher bestimmt.[10] Unmittelbar lässt sich aus der Norm daher keine Pflicht zur Ausübung des Weisungsrechts in bestimmter Weise ableiten. Das BAG ist hingegen der Ansicht, dass sich aus der Pflicht des § 241 Abs. 2 BGB ergeben kann, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht anwendet und anderweitig dahingehend konkretisiert, um die Leistungserfüllungspflicht des Arbeitnehmers zu gewährleisten.[11] Insofern könnte der Arbeitnehmer also einen Anspruch auf Vertragsanpassung mit der Folge der Zuweisung eines Homeoffice-Platzes haben.

Bejaht man einen möglichen Anspruch aus § 241 Abs. 2 BGB, bedarf es als Voraussetzung unter anderem eines unüberwindbaren Leistungshindernisses für den Arbeitnehmer an seinem aktuellen Arbeitsort, welches nicht anders als durch Homeoffice behoben werden kann.[12] Diese Versetzung des Arbeitnehmers muss dem Arbeitgeber zumutbar sein, d.h. es dürfen keine betrieblichen Gründe oder Rücksichtnahmepflichten entgegenstehen.[13] In diesem Zusammenhang scheitert ein Anspruch auf Homeoffice meist an der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und 14 GG, die gegenüber vielen Bedürfnissen des Arbeitnehmers vorrangig sind. Unter anderem verneinte das LAG Rheinland-Pfalz den Vorrang der Kindererziehung gem. Art. 6 GG gegenüber der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit.[14] Ein Anspruch auf Homeoffice aus der Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB erscheint daher im Ergebnis gekünstelt und ist nur in sehr seltenen Fällen als durchsetzbar.

Anders lässt sich dies im Krisenfall bewerten: Bei der soeben erwähnten Interessenabwägung, die die Rechtsprechung zulasten des Art. 6 GG und familiärer Bedürfnisse auslegte, ist im Rahmen der Pandemie zu berücksichtigen, dass Eltern aufgrund der verhängten Ausgangssperren und Kontaktverbote oft keine andere Möglichkeit als das Homeoffice bleiben würde, um Kinderbetreuung und Arbeitstätigkeit zu vereinbaren. Dementsprechend könnten Arbeitgeber zumindest dazu aufgefordert werden, vorübergehende Homeoffice-Stellen zu ermöglichen.[15]

Des Weiteren könnte der Arbeitnehmer im Rahmen eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Beschäftigung im Homeoffice geltend machen, sofern der Arbeitgeber die vom Infektionsschutzgesetz gestützten Corona-Verordnungen missachtet und die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen wie Mindestabstände und Hygienebestimmungen nicht einhält. Denn gem. § 618 BGB hat der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz seiner Arbeitnehmer zu ergreifen.[16] Hierbei ist allerdings festzuhalten, dass nicht jeder Verstoß von Seiten des Arbeitgebers ein Leistungsverweigerungsrecht rechtfertigt. Handelt es sich um geringfügige Missachtungen ohne langfristige Schäden könnte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiter nach billigem Ermessen im Betrieb beschäftigen.[17]

Die Parteivereinbarung  

Als einfachste Möglichkeit für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Homeoffice besteht jedoch die Parteivereinbarung. Dies kann zum einen klassisch im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Zum anderen kann aber auch ein Tarifvertrag im Rahmen der Tarifgebundenheit des § 3 TVG diesen Anspruch regeln.[18] Diese Parteivereinbarungen können bestimmen, wann und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer ein Homeoffice für sich beanspruchen kann und z.B. auch datenschutzrechtliche Vorgaben machen.[19]

Alle weiteren denkbaren Optionen sind lediglich in Ausnahmefällen möglich. Auch die gesetzlichen Ansprüche für Schwerbehinderte (§ 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX) und Beamte (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BGleiG) stellen keine für jedermann zugänglichen Modelle dar, sondern sind lediglich für die in der jeweils im Gesetz beschriebenen Situation Betroffenen verwendbar.

Ausblick

Die Corona-Pandemie hat mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gezeigt, dass ein Homeoffice heutzutage durchaus möglich und in dieser besonderen Situation sogar notwendig ist, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Das Bundesarbeitsministerium plant in diesem Zusammenhang nun, einen Anspruch im Gesetz zu verankern, der für jedermann einklagbar ist. Doch hierfür sind bislang noch keine weiteren Schritte eingeleitet worden. Ein Modell, wie es in den Niederland besteht, die sei 2016 einen Anspruch auf Homeoffice im „Wet flexibel werken“ verankert haben, könnte dabei für das deutsche Rechtssystem als Vorbild dienen.[20]


[1] Küttner/Röller, Rn. 1.

[2] Preis/Genenger, S. 1059.

[3] Preis/Genenger, S. 1059.

[4] Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Alternierende Telearbeit, Az.:

WD 6-2000-112/16, S. 12.

[5] Preis/Genenger, S. 1060.

[6] Benkert, NJW-Spezial 2019, 306.

[7] Richter, Teil 1, ArbRAktuell 2019, 142 (143).

[8] BAG, 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121) Rn. 26.

[9] BAG, 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121) Rn. 27.

[10] LAG Rheinland-Pfalz, 18.04.2012 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249.

[11] BAG, 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121) Rn. 26.

[12] Müller, Homeoffice, Rn. 98.

[13] BAG, 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121) Rn. 28 f.

[14] LAG Rheinland-Pfalz, 18.04.2012 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249.

[15] Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478).

[16] BAG, 14.06.2016 – 9 AZR 181/15, NZA-RR 2016, 565 (566) Rn. 21.

[17] Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187).

[18] Richter, Teil 1, ArbRAktuell 2019, 142 (143).

[19] Müller, Homeoffice, Rn. 84 f.

[20] Schwiering/Zurel, ZD 2016, 17 (21).